Montag, 1. November 2010

Denkst Du an mich, wenn ich gegangen bin?

Meine Mutter wusste lang, dass sie sterben wird. Sie hatte ALS. Ein langsames Sterben, oft eine Qual....
"Denkst Du an mich, wenn ich gegangen bin?"
Ich bin sehr erschrocken, als sie diese Frage stellte.

Und ich finde es sehr traurig, wie in der jetztigen Zeit mit dem Tag Allerheiligen umgegangen wird. Einige Jahrhunderte sind Allerheiligen und Allerseelen schon alt. Und was wird jetzt so oft und viel daraus gemacht?
- super, langes Wochenende
-bei dem Wetter geh ich doch nicht auf den Friedhof...
-wir fahren noch ein paar Tage weg, der Feiertag fällt so günstig....
und, und, und.....
Nein, "meine" Toten. Ich vergess Euch nicht. Mir ist dieser Tag sehr wichtig. Ich schäm mich, dass es solche fast schon Schimpfwörter wie "Gräberrallye, die wir nicht mitmachen...." gibt.
Mein Band der Liebe mit Euch ist da, bleibt da, ich trag es zu den Kindern weiter. Meine Gedanken gehen heute in Eure Welt, für mich unvorstellbar, wo seid Ihr, wie geht es Euch? Ihr seid so Abgeschieden von uns...und auch nicht.
Für mich seid Ihr die Schutzengel für uns hier geworden.
Meine Mama, mein Papa
mein Bruder
Tanten und Onkel
Cousinen
Freunde und Freundinnen
....für mich habt Ihr nur die Räume gewechselt. Ich kann heute nicht an jedem Grab stehen. Zu weit sind die Entfernungen....doch ich wünsch Euch, dass auf Euren Friedhöfen ganz viel Leben ist, heute.
Meine Verstorbenen, ich fühl mich mit Euch eins, in meiner Erinnerung...
Ja, Mama. Ich denk an Dich. An Euch alle. Die Erinnerung an Euch bleibt, nichts verblasst. Es wird auch nichts leichter. Es ist überhaupt nicht leicht, dass Ihr nicht mehr da seid.

Ich habe Tote, und ich liess sie hin
ich war erstaunt, sie so getrost zu sehen
So rasch zu Haus im tot sein
So anders als ihr Ruf, nur Du, Du kehrst zurück
Du streifst mich, Du gehst um
Du willst an etwas stossen,
dass es klingt von Dir
und Dich verrät

Rainer Maria Rilke

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Auch wir werden heute spazierengehen, lachen, essen, leben. Was anderes würden "Sie" ja gar nicht wollen
Elisabeth

12 Kommentare:

  1. Danke für deinen offenen, berührenden Worte, liebe Elisabeth!

    Stille Grüße, Kirstin

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  2. Liebe Elisabeth,
    die Worte von Dir sind sehr schön......., auch ich habe Verstorbene zu betrauern,....und es fällt mir nach fast 21 Jahren immer noch schwer, den Verlust meiner Mutter und meines Vaters zu akzeptieren. Ein Grab habe ich nicht mehr, die Friedhofsordnung ließ keine Verlängerung der Ruhefrist mehr zu!
    Aber meine Gedanken können unendlich verweilen, in vielen schönen wie auch traurigen Momenten.
    Danke für Deinen Beitrag in dieser so schnell lebenden Welt.

    Ulrike

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  3. Dazu kommt mir ein Zitat aus einem Film:
    "Wenn uns die Menschen genommen werden die wir Lieben, können wir sie trotzdem behalten in dem wir nie aufhören sie zu Lieben"
    Ich glaube an ein Leben nach dem Tod, genauso wie ich an ein Leben vor dem Tod glaube.
    Ich wünsche es mir, dass sie nur die Räume gewechselt haben.
    Vielen Dank für deine Tiefen Worte...

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  4. Allerheiligen wird hier einfach angenommen, wie es kommt. Es "gehört sich" einfach, an diesem Tag zu Hause zu sein, zur Messe zu gehen und den Friedhof zu besuchen. Die Familie zu treffen... und auch wenn es heute wie aus Eimern regnet, wird der Friedhof voller bunter Regenschirme sein (und matschig ... zur Freude der Kinder)... das ist gut so, denke ich. Ein Frund von uns aus Ruanda sagte einmal, dass wenn man den Respekt und die Achtung vor den Toten verliert, es nicht mehr weit ist, die Achtung vor den Lebenden zu verlieren. Sicher ist er geprägt vom Völkermord dort - aber ich denke immer wieder an seine Worte, wenn so Dinge gesagt werden wie "Friedhofsmarathon" u.ä. - es geht nicht ums "Abklappern", sondern um viel viel mehr. Und man muss es ja nicht (nur) zu Allerheiligen machen... jeden Tag hat man die Möglichkeit, ein Grab zu besuchen oder an einen lieben Menschen zu denken. Und die Tradition an einem Tag im Jahr sich zu versammeln am Grab eines Menschen ist auch etwas besonderes. Ich finde es schön, dass hier an jedem Grab jemand steht und auch die Gräber geschmückt werden, wo sich niemand drum kümmert. Und der Friedhof voll ist. Es ist ein Zeichen, dass die Toten auch im Leben der heutigen Generation noch wertvoll und in Erinnerung sind. Das kann so schlecht nicht sein. Ich wünsch dir/euch einen guten Tag verbunden mit Lachen, Leben und Freude. Und warmen, schönen Erinnerungen an die, die nicht mehr unter euch sind. Alles Liebe. maria

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  5. Deinen Worten und Gedanken zolle ich höchsten Respekt.
    Ich wünsche Dir einen guten Tag, einen schönen Tag.

    ♥lichst
    Franziska Sternenzauber

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  6. Liebe Elisabeth. Das ist ein zu Herzen gehender Post. Schön zu lesen, das es in der heutigen Zeit noch so etwas Besonderes gibt wie dich. LG Inge

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  7. Danke dir, Elisabeth für diesen Post.
    In dieser so schnelllebigen Zeit ist es umso wichtiger, auch Tage zu haben, an denen man innehält. Zurückdenkt - zurückfühlt...

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  8. Liebe Elisabeth, ich wünschte, ich könnte mit dem Thema so toll umgehen, wie du. Kann ich aber nicht. Allein der Gedanke an all die Personen, die ich (oft sehr jung schon) verloren habe, schnürt mir die Kehle zu und ich bekomme eine unendliche Wut. Auf wen? Auf die Toten? Gott? Keine Ahnung. Daher schiebe ich alle diese Gedanken weit weg von mir, verdränge sie, schlucke sie, damit sie nicht so weh tun und lenke mich ab.
    Und bin auch eine derjenigen, die keinen Schritt auf den Friedhof setzen. Niemals.
    Ich gebe dir Recht - es gibt viel Ignoranz auf dieser Welt.
    Aber die Gründe, dieses oder jenes nicht zu tun, die sind so vielfältig wie die Gründe es zu tun.
    Ich wünsche dir einen wunderbaren Allerheiligen-Montag.
    LG, dieMia

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  9. Also ich ehre die Toten, indem ich heute einfach an sie denke, vielleicht auch weine und mir sage, dass sie dort wo sie jetzt sind, immer ein Auge auf uns haben. Eine sehr gute Freundin von mir hat vor 6 Jahren ihr Baby zu Grabe tragen müssen, weil sie einen Plazentaabriss hatte. Ich habe sie gefragt, wie sie es aushält und sie sagte gar nicht, aber das Leben geht weiter und ihr Sohn ist immer bei ihr. Sie trägt ihn in ihrem Herzen, weil sie ihn 8 Monate unter dem Herzen getragen hat. Ich fand es damals so grausam, dass sie niemandem die Schuld so wirklich gab, aber es hatte niemand Schuld. Heute, sehe ich es auch ein wenig anders. Ich muss nicht in die Messe eilen, muss nicht auf dem Friedhof stehen (das machen wir jeden Sonntag am Grab des Opas meines Mannes) um jemanden zu vermissen und ich sehe es wie Elisabeth, dass es einfach um die Tatsache geht, dass man den vorangegangenen Ahnen, Freunden und lieben Menschen, die man hat gehen lassen müssen, den Respekt entgegenbringt, wie es sich gehört und das ganze nicht nur als superlanges Wochenende sieht. In den frühen Zeitaltern blieben die Toten immer ein Teil der Familie, wurden im Haus aufbewahrt und geehrt. Klar kann man das heute nicht mehr unbedingt so machen, aber man kann an die Menschen denken und es den Kindern und Enkelkindern vorleben. Man muss den Tod nicht fürchten. Er gehört zum Leben dazu. Er dauert das ganze Leben an und hört auf, wenn er eintritt. Jeden Tag verlieren wir ein Stück, verabschieden Freunde, die man vielleicht nie wieder sieht. Jeden Tag sterben wir ein klein wenig und am Ende? Ja am Ende stehen wir da und werden von den Vorangegangenen erwartet, in ihren Kreis aufgenommen und ich mag diese Vorstellung.

    Entschuldige, dass ich nun so viel geschrieben habe, aber ich verstehe dich so gut und fühle mit dir

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  10. Liebe Elisabeth,
    das hat mich sehr berührt.Du sprichst so liebevoll von deinen Toten, sie haben einen riesigen Platz in deinem Herzen. Wie könnten sie vergessen werden?
    Sei lieb umarmt
    Michaela

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  11. Liebe Elisabeth,

    ja, auch mich haben Deine Worte berührt. Es ist als hättest Du sie zu mir gesprochen, nicht als hätte ich sie gelesen. Ich habe heute viel Zeit mit diesen Worten verbracht. Und auch ein wenig an die Deinen gedacht, als ich durch den Nebel gelaufen bin.

    Alles Liebe.

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  12. Liebe Elisabeth, mir bringen die Friedhofsbesuche nichts, aber ich habe meine Toten immer im Herzen, denke sehr oft an sie und rede über sie. Wenn ich alleine bin, dann rede ich auch mit ihnen. Keiner von ihnen wird vergessen sein, solange ich noch lebe.
    Ich respektiere aber jeden Menschen, der auf dem Friedhof seinen Frieden findet.
    Ganz liebe Grüße, die Christiane

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