Freitag, 28. September 2012

Wann hört dieses Spiel auf?


Ihr kennt solche Spiele alle. Eure kleinen Kinder spielen sie.
Mein Enkel spielt es auch schon.
"Ja, was macht denn der Robert? Ahhh, er schläft!"
Das kann man ausbauen, erweitern, Spass drauss machen, verzweifeln wenn man doch eigentlich genau jetzt vom Kind was will ... z.B. Jacke anziehen oder so.....!
Schaut mal wie Robert sich freut wenn ich entdecke, dass er ja gar nicht "in echt" schläft.
Das kann er immer-und immerwieder spielen. Das "Siehst-Du-ich-schlafe-Spiel". In jeder Lebenslage, zu jeder Zeit.


Warum ich Euch das zeige?
Es sind immerwieder Kommentare die sich so oder ähnlich lesen:  "Ich wusste gar nicht, dass Autisten so sind, ich stell mir Autismus anders vor!"
Nun hab ich auch noch zwei Mails mit Fragen bekommen, deshalb haben wir beschlossen die Situationen zu zeigen die für die Ärzte und Therapeuten zeigen: "Autismus"
Autismus hat viele Formen. Das wussten wir vor Roberts Diagnose auch nicht. Es ist keine Seltenheit, dass die Diagnose frühkindlicher Autismus mit "leicht geistig behindert" zusammentrifft.
So ist das bei Robert. Wobei die "geistige Behinderung" ein Wort ist, dass wir falsch empfinden. Nicht nur für Robert. "Anders" sind viele Menschen, es ist oft gar nicht testbar, es gibt so viele Möglichkeiten nicht nur durch Lesen und Rechnen ein geistiges Wissen zu haben.

Die Bilder und das "Ich-schlafe-Spiel" sollen Euch zeigen, dass es natürlich nicht normal für einen 11 1/2jährigen Buben ist noch so zu sein. Kinder in diesem Alter spielen mit den Kleinen solche Spiele. In diesem Alter geht man allein aus dem Haus, ist in einem z.B. Fussballverein, kann selbstständig einkaufen. Manche Kinder haben sogar schon die Gymnasium-oder Realschulreife erlangt.  Man kann eine Telefonnummer wählen, zieht sich selbstständig an. Kinder mit 11 haben Freunde, machen miteinander Treffen aus und spielen dann auch zusammen. Irgendetwas! Radfahren, ins Schwimmbad gehen, Inliner-fahren, Sie dürfen in Gruppen allein ins Kino, verabreden sich um heimlich ganz schnell beim gelben M vorbeizuschauen....

All das kann Robert nicht. Er benötigt für jeden dieser Schritte die Hilfe eines Erwachsenen. Er spielt seine Spiele aus heiterem Himmel auch im Kino, beim Einkaufen oder mitten auf einem Spielplatz. Dann wird er ausgelacht. Das versteht er nicht und wird laut und schimpft. Auch das auf seine eigene Art.
Er spielt das Spiel mit der 84jährigen Tante, die nicht versteht was er nun will. "Ich hab ihn nur gesagt, er soll die Kaffetassen aus dem Schrank holen".  Er liegt auf dem Boden, mitten im Weg und ... schläft!
Er spielt das Spiel mitten im A..i, da sollte er zurücklaufen und eine Butter holen. Oft macht er das, manchmal eben nicht. Es ist nicht mehr so, dass ich ihn einfach hochheben und in denWagen legen kann. Da haben die Leute wieder etwas zu schauen .... zu flüstern.

Wir werden die nächste Zeit aufpassen auf unsere "autistischen Situationen" und sie Euch hier zeigen. Manches ist bei uns schon so normal, dass wir nur ab und zu durch andere drauf hingewiesen werden, wie seltsam er sich verhält.

Und ... nein, ich bin nicht böse über Nachfragen, so wie es in einer Mail stand. Das hat uns ja auf die Idee gebracht noch deutlicher zu erkären woran man merkt, dass Robert Autist ist.

Und ... es ist nicht ansteckend (Michael behauptet das schon, er fühlt sich in manchen seiner Reaktionen vom Robert angesteckt!)
Und ... es tut nicht weh. Nicht körperlich. Seelisch schon .... ihm, dem Robert .. und manchmal auch uns!


Ach so. Zur Frage über diesem Post:
Das Spiel hört nie auf, das bleibt! ... sagen die Ärzte und Therapeuten. So oder so ähnlich. Autisten  ist nicht bewusst, dass man sich nicht so verhält. Für Robert ist "soziale Integration" kein Begriff. Sich so zu verhalten wie es gesellschaftliche Norm wünscht kann er nicht verstehen.

Bitte, wer Autist ist, und ganz anders lebt, fühlt, handelt.. Fühlt Euch nicht angegriffen, ich schreibe hier über Robert.  Ein Kind mit frühkindlichem Autismus. Es sind auch mit der Diagnose verschiedene Verhaltensweisen möglich.









10 Kommentare:

  1. Danke für diesen Post!
    Ich grüße Dich von Herzen
    Oona

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  2. Liebe Elisabeth,
    danke! Das liest sich hochinteressant. So wird dieses anders-Sein tatsächlich für mich greifbarer und mit Bildern verbunden.
    Was ich auch gut finde, ist, dass Du kritisch auf dieses Testen und Einordnen eingehst. Das läuft doch nur darauf hinaus, dass man Verhalten auf Abweichungen von einer künstlich geschaffenen "Norm" hin abklopft. Ich fände eine Gesellschaft, in der man alle Mitglieder in eine Norm einordnen kann "gruselig". Uns Menschen hat doch gerade die Fähigkeit, auf "Abweichungen" so gut einzugehen, uns anzupassen, so weit gebracht.
    Ich lese hier sehr gerne mit, stelle ich mal wieder fest!
    Ganz liebe Grüße,
    Shushan

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  3. Es ist eine Welt die meiner so fern ist, so ist das ja auch bei Jolina, obwohl ich da schon viel gelernt habe, es lernen muss.
    Ich bewundere manchmal deine Kraft, obwohl die bestimmt auch oft extrem aufgebraucht ist, vorallem wenn man weiß "Es ändert sich nicht!"
    Ich glaube eine Diagnose mit einem Namen wie bei Jolina oder Robert macht es mir leichter nachsichtig zu sein. Mir wohnt diese typische Ungeduld auch inne die viele Menschen mit Hochbegabung oder hohem IQ leider haben. Ich verstehe nicht warum mein Mann oder früher meine Kollegen meinen schnellen Gedankengängen nicht folgen können. Mein Spruch früher war immer "Das schlimmste für mich wäre ein dummes Kind" was ein Glück, Jolina ist nicht dumm sondern lernbehindert, damit kann ich leben ;-)
    LG
    Martina

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  4. Hallo,

    dieser Post ist so toll. Weil er mir im Moment so hilft. Wir haben ja ein Kind mit einer schweren seelischen Behinderung, die sieht man auch nicht. Und für nicht Betroffene ist das schwer zu verstehen.
    Lg

    Barbara

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  5. Danke dir, Elisabeth!
    Ja, auch mir ist sicher nicht klar, wie anders Robert ist. Die Bilder zeigen doch einen ganz normalen, fröhlichen Buben, der ist wie andere auch.... So ist das nun mal. Ich kann mir vorstellen, dass vielese für euch schon Alltag/ganz normal ist. Mir geht es mit Niklas auch oft so. Wir haben übrigens das Verstecken-Spielen mit "wo ist denn der Niklas?" mhm... das spiele ich in 20 Jahren auch noch mit ihm. Und bei dem Gedanken ist mir irgendwie noch wohl.....
    So, jetzt wird gejausnet. Anika ist stark verkühlt - hat Husten. Dafür ist Niklas super gelaunt :)
    Lass dir liebe Grüsse hier,
    Tanja

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  6. Elisabeth, danke!!!
    Das war sehr konkret!,
    Aber nein, es ist nicht ansteckend in dem Sinne und doch, man *Fühlt* sich ein in diese kleinen Menschen, die es nicht anders kennen...ihr seid mit eurem Robert verbunden, da *spielt* man mit...und das ist ganz NORMAL..

    Du Liebe,
    danke dafür, es gab ´mir sehr, sehr viel!!!


    herzlichst, Rachel

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  7. Liebe Elisabeth,
    ich mag deine Posts... und auch deine Erklärungen zu Roberts Verhalten! So kommt für mich, die ich ja auch bereits mit dem Thema Autismus in der Schule bei einigen meiner Schüler ganz konkret - und doch jedes Mal völlig anders! - damit in Berührung gekommen bin, immer ein weiteres Puzzlesteinchen des Verstehens dazu. DANKE!
    Herzliche Grüße,
    SOLEILrouge :-)

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  8. Liebe Elisabeth, ich danke Dir für diesen Einblick!
    Manchmal stellt man sich ja einfach nur vor, dass es sich um ein irgendwie schwieriges Kind handelt, aber es ist eben anders. Mir öffnet es auch die Augen für meine Kinder, mcht mich offener und aufmerksamer und dafür danke ich Dir sehr!!!!

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  9. Liebe Elisabeth,
    früher waren Kinder, die "anders" waren, einfach nur geistig behindert. Gott sei Dank wird heute differenziert und man weiß mehr über einzelne Behinderungen.
    LG Sabine

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